Schwarzes Gold
Die Schallplatte war nie ganz weg. Das ist erstaunlich. Ich selbst habe seinerzeit gedacht, die CD würde die Schallplatte ablösen. Das ist nicht passiert. Mit den Streamingdiensten der Neuzeit habe ich selber aber das Ende der vinylen Pracht vorausgesehen. Zu sperrig, zu schwer, zu empfindlich, kein glasklarer High - End - Sound. Das wars.
Doch weit gefehlt, wie das gallische Dorf aus Asterix und Obelix hat sich die Schallplatte durch die Höhen und Tiefen der Tonträgerschaft gekämpft. Sie hat Krisen überstanden und ist mit den Jahren zu dem ein oder anderen Schatz herangereift. Ich habe mir meine Gedanken gemacht und mich gefragt warum die Faszination so groß ist, dass jetzt reihenweise neue Schallplatten gepresst werden, wieder Plattenspieler in größeren Stückzahlen produziert und verkauft werden und Leute - wie ich- wieder Schallplatte hören.
Folgende Punkte habe ich bei meiner Recherche zum Thema Schallplatte ermittelt und konnte sie alle mit meinen eigenen Erfahrungen untermauern.
1.Sound mit "warmen Live-Charakter"
Ja, es stimmt, glasklarer Hifi-Sound ist faszinierend und hört sich ganz clean, ganz digital an. Das klingt im Auto auch super und auch auf einer Hifi-Anlage. Aber der Sound einer Schallplatte ist "wärmer" (Hifi - Experten können das sicher detaillierter beschreiben). Für mich fühlt bzw. hört es sich eher so an wie auf einem Live-Konzert. Da ist es ja auch seltenst clean und digital. Also ist es in meiner Welt so, dass das Hören einer Schallplatte bis zu einem gewissen Grad dem Besuch eines Livekonzertes nahe kommt.
2. Haptik
Im digitalen Zeitalter ist alles schnell und eben auch schnell vorbei. Du bist beim Streamen auf das Hören reduziert. Bei der Schallplatte hast Du ein Cover, vielleicht sogar ein aufklappbares. Da sind Bilder von der Band, Texte die Du lesen kannst. Bilder und Texte sind in einem bestimmten Stil erstellt und bilden oft eine eigene künstlerische Collage. Das alles hältst Du in den Händen, es gehört Dir.
Dann kommt noch die Schallplatte selbst. Dein wahrer Schatz. Den musst Du hüten wie Deinen Augapfel, damit er keine Kratzer, keine Fettfinger und auch sonst keine Verschmutzungen bekommt. Das ist etwas völlig anderes als bei einer "kleinen" CD oder ganz abgängig bei den Streams. Das es schon seit langer Zeit farbiges Vinyl gibt und damit nochmals die optische Seite der sonst schwarzen Scheiben aufgewertet wird kommt noch hinzu. Es gibt Leute die mögen das nicht - andere fahren voll drauf ab.
3. Wert (anlage)
Eine Platte kannst Du in den Schrank stellen und wenn Du sie gut pflegst wird sie irgendwann wieder im Preis steigen (vorausgesetzt du hast die richtige Veröffentlichung, die richtigen Künstler, etc.) Es ist aber Fakt, dass ich schon allein in meinem kleinen Laden einige Schallplatten stehen habe, die teurer gehandelt werden als ihre nagelneuen, nachgepressten Exemplare. Ich persönlich (das ist meine subjektive Meinung) halte es für interessanter, die Platten nicht als Wertanlage "zu schonen", sondern sie zu hören. Wer weiß was morgen ist...
4. Das Prozedere
Allein das vorsichtige Herausnehmen der Platte....Stop, ich muss früher ansetzen. In einen Laden zu gehen, und eine Platte nach der anderen mit den Fingern umzulegen um das nächste interessante Cover zu sehen ist doch ein Quell der Freude. Wenn Du dann die Scheibe Deiner Wahl gefunden hast und sie zum ersten Mal zu Hause auspackst, das Cover betrachtest und sie dann auf Deinen Plattenspieler legst und die ersten Töne erklingen ...Du schaust Dir die beigelegten Textzeilen an, begutachtest das Cover, vielleicht war sogar ein Heft oder ein Poster dabei. Ihr versteht was ich meine.
5. Die Auseinandersetzung mit der Musik
Ich selbst ertappte mich beim Streamen mit dem Handy immer dabei, nur die Toptitel zu hören. Und wenn mir etwas auf Anhieb nicht gefiel habe ich weitergeskippt. Bei einer Schallplatte hört man sich - wenn es ein Album ist- doch eher alle Songs der A- und dann auch noch der B-Seite an. Das führt dazu, dass man noch viel mehr in der Musik entdecken kann als man zunächst angenommen hat. So mancher Song einer B-Seite verrät viel mehr über den Künstler oder die Künstlerin als einer der Top-Hits. Immer wenn ich im Laden gebrauchte Scheiben zur Probe höre, ist es mehrfach vorgekommen, dass ich durch das "gezwungene" Hören viele interessante Songs von Bands hören durfte (und darf) die ich ursprünglich nicht auf meinem Radar hatte.
6. Die Szene
Mit der "Szene" tue ich mich schwer. Leute sind so unterschiedlich und haben so differenzierte Beweggründe sich mit dem Thema Schallplatte zu beschäftigen, dass ich es vermeide sie in einen Topf zu werfen. Fakt ist, dass ich bisher überwiegend nette Menschen aus diesem Hobbybereich treffen durfte.
Menschen, die sich mit Musik auseinandersetzen, diese gar lieben, können eigentlich im Grunde ihres Herzens nicht schlecht sein.
Axel von Vinyl 214